Training mit über 50 Jahren – Teil 1

Immer wieder erreicht mich der Wunsch nach Informationen über Fitnesstraining im fortgeschrittenen Alter. Meistens wird hierbei das Alter von über 50 und über 60 Jahren genannt.

Grundsätzlich kann man mit fortgeschrittenem Alter genauso trainieren, wie in jüngeren Jahren und auch die Anpassungsfähigkeit des Körpers ist prozentuell gleich. Selbst 80- und 90-Jährige können also prozentuell die gleichen Trainingsfortschritte erzielen wie 20- oder 30-Jährige.

Bei den vielen 50- bis 80-Jährigen, die ich bisher trainiert habe, sah und sieht das Training prinzipiell genauso aus wie bei den jüngeren Personen.

Die Hauptunterschiede sind folgende:

– Es wird viel mehr Zeit im Training benötigt, um die Defizite in der Beweglichkeit und der Bewegungsfähigkeit (Koordination) zu reduzieren bzw. auszugleichen.

– Bei den Übungen werden einfachere Schwierigkeitsstufen oder Widerstände/Gewichte gewählt.

– Je nach Fitnesszustand ist meist ein nahezu tägliches kurzes Training zur Verbesserung der Beweglichkeit und Bewegungsfähigkeit nötig, um wirklich sehr gute Fortschritte erzielen zu können.

Wer jedoch einigermaßen aktiv geblieben ist, kann sich bezogen auf die körperliche Fitness sehr schnell verbessern und selbst anspruchsvollste Übungen durchführen.

Ich erinnere mich noch an einen ca. 70 Jahre alten Thailänder mit Rückenbeschwerden, den ich in der Rehabilitation betreuen durfte.

Schon nach wenigen Wochen konnte ich mit ihm sehr anspruchsvolle Übungen hinsichtlich Koordination, Stabilität und Kraft durchführen. Mit keinem anderen vor Ort konnte ich derartige Übungen durchführen (z. B. einbeiniges, freihändiges „fahren“ auf dem Crosstrainer! – bitte nicht nachmachen;  oder schwierige Stabilisationsübungsvarianten).

Meine pauschalen Empfehlungen zum Einstieg in ein Fitnesstraining ab ca. 50 Jahre lauten wie folgt (wobei es im Einzelfall natürlich starke Abweichungen geben kann):

1.) Führen Sie an 5-6 Tagen in der Woche  ca. 15-45 min lang Joint Mobility-Übungen durch (für mehr Informationen roten Link anklicken).

2.) Führen Sie an 3 Tagen in der Woche ein kraftorientiertes Training durch, welches aus wenigen Ganzkörpertrainingsübungen besteht (Dauer ohne Aufwärmen: ca. 15-25 min).

Die Methoden der Wahl sind hier Übungen mit dem eigenen Körpergewicht (keine Trainingsgeräte erforderlich, Übungen mit einem Slingtrainer (praktisch stufenlose Veränderung des Schwierigkeitsgrades der meisten Übungen möglich), Kettlebell-Training (Bewegungsschulung, Stabilität, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit) und später natürlich auch Sandbag-Training.

3.) Führen Sie an mindestens 3 Tagen in der Woche ein Intervalltraining zur Verbesserung der Herz-Kreislauf- und Stoffwechselfitness durch, das die Gelenkstrukturen wenig belastet (Dauer ca. 10-30 min, inkl. Aufwärmen).

Das Training kann im Anschluss an das Krafttraining oder an den anderen Tagen durchgeführt werden. Sehr Untrainierte können hier mit Gehintervallen beginnen, ansonsten wären leichte Kraftübungen mit dem eigenen Körpergewicht, Kettlebellübungen (z. B. Swing, Clean, Figure-8 to a hold) und Seilwellen mit einem langen Tau gute Methoden. Radfahren und andere Cardiogeräte wären zum Einstieg auch möglich, wobei ich das Sitzen beim Training nicht so mag.

4.) Machen Sie viele flotte Spaziergänge von ca. 20-60 min (gerne täglich).

5.) Bauen Sie insgesamt möglichst viel Bewegung in den Alltag ein (gehen, Treppen steigen, Radfahren usw.).

Hier ist ein beispielhafter Trainingsplan eines Anfang 60-Jährigen, der erst vor 5,5 Jahren mit gezieltem Fitnesstraining begonnen hat. Nennen wir ihn mal Helmut.

Dies soll nur ein Beispiel dafür sein, was man im vermeintlichen „Seniorenalter“ noch alles machen kann. Viele der jungen Sportler im Fitnessstudio schauen immer erstaunt, was wir da so treiben. An Geräten haben wir bisher nur eine Rudermaschine, einen Kabelzug und eine Klimmzugmaschine verwendet. Mittlerweile gehen die Klimmzüge aber prima ohne Gegengewicht.

Trainingsvorbereitung/Aufwärmen:

Massage mit dem Foam Roller, Joint Mobility-Übungen und dynamische Übungen, die sämtliche Gelenke im großen Bewegungsausmaß mit einbeziehen (Beispiele sind hier zu sehen). Turkisches Aufstehen ist auch mit dabei.

Erhalt/Verbesserung der Explosivität/Schnellkraft:

4 x 5 flache Sprünge auf der Stelle (Gummiboden) mit dem Ziel einer leisen Landung. Sobald die Landung leise erfolgt, wird die Sprungweite erhöht bis hin zu 2 x 5 maximalen Standweitsprüngen (leise landen!).

Metabolisches Krafttraining (Pausen so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig):

Programm A (in jeder Einheit wird eine von zwei Trainingseinheiten durchgeführt, immer abwechselnd Programm A und B):

1) Kofferkreuzheben mit Kurzhantel oder Kettelbell: 2 x 3-5 Wdh. pro Seite, Pause hier 2,5-3 min, nachdem die Wdh. auf beiden Seiten durchgeführt wurden

Helmuts Werte: Spezielles Aufwärmen: 3 x 20 kg pro Seite; Training: 5 x 40 kg pro Seite und Durchgang

2A) Tiefe Einbeinkniebeuge am Pfahl (im Wechsel mit Übung 2B): 2 x maximale Wdh., bis noch eine Wdh. möglich wäre

Helmuts Werte: 2 x 6 Wdh. pro Seite

2B) negative Klimmzugleiter (Parallelgriff; im Wechsel mit Übung 2A): 2 Durchgänge

Helmuts Werte: 2 x 4, 3, 2, 1 Wdh. + 2 bis 3 zusätzliche Wdh. hinterher

Metabolisches Ausdauertraining:

Zirkeltraining: 2 Runden, jeweils 20 s Belastung und 40 s Pause pro Übung

1) Kniebeuge-Ruderzug-Kombination am Kabelzug

2) Überkreuzhampelmann

3) schräger Mountainclimber an Wand

4) Sprint auf der Stelle

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Programm B folgt im nächsten Artikel.

3 Kommentare

  1. Hallo Till,
    vielen Dank für Deine vielen interessanten Berichte. Ich folge Dir seit ca. einem Jahr auf unterschiedlichen Kanälen und habe auch zwei Deiner Kettlebell-Bücher.
    Bei einer aktuellen Fragestellung denke ich, dass Du da der Experte bist und würde mich Deine Meinung interessieren: wie sähe denn der „Masterplan“ zur dauerhaften Fitness aus – würde es für junge „Otto-Normalverbraucher“ reichen, TGUs, Swings, Beugen und co. mit einem möglichst schweren Gewicht zu lernen, um die Kraft (im Alter) möglichst lange zu halten und nach und nach (bei Bedarf) die Gewichte zu senken? Ich fänd es eine tolle Vorstellung, wenn ich z. B. als 80 jähriger Opi, Swings und TGUs mit 12 kg durchführen könnte.
    Liebe Grüße
    Mario

    • Hallo Mario,
      danke für deine Nachricht. Eine Frage vorab:
      Warum möchtest du mit 80 Jahren so schwach sein, dass du Swings und TGUs lediglich mit 12 kg durchführen kannst?

      Einen „Masterplan“, der für alle gilt, gibt es nicht, da jeder Mensch in seiner Situation zu individuell ist.
      Das Ziel sollte nicht sein, dass du maximal schwere Gewichte bei sämtlichen Übungen verwendest, bis die Kraft irgendwann stagniert oder gar wieder sinkt.
      Die Erfahrung vieler Kraftsportler zeigt, dass ein dauerhaftes Training mit sehr schweren Gewichten den Körper überlasten kann.
      Nur niedrige bis mittlere Gewichte zu verwenden ist jedoch auch nicht generell zu empfehlen.

      Aus meiner jetzigen Sicht und der meiner Lehrer ist ein vielseitiges Training das Mittel der Wahl.
      Dazu gehört die Beweglichkeit, die Koordination, die Schnelligkeit, die Kraft und die Ausdauer.

      Wichtiger als maximale Lasten heben zu können ist es, leichtere und mittlere Gewichte in verschiedenen Bewegungsebenen und Winkeln sicher und stabil bewegen zu können.
      Ich würde auch häufig Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, also ohne Zusatzgewichte einbauen.

      Gute Trainingssysteme sind hier z.B. DVRT (https://tillsukopp.de/news/warum-dvrt-kein-sandbagtraining-ist/) und MovNat.

      Eine der besten und sichersten Methoden, um deine Kraft bis ins hohe Alter hinein mit geringem Zeitaufwand erhalten zu können bietet das statische und das Zeitlupentraining.
      Diese Trainingsform erkläre ich in verschiedenen Varianten ausführlich in meinem Einfach fitter-Online-Kurs (siehe https://einfachfitter.de/ oder https://www.digistore24.com/product/390712).

      Hoffentlich konnte ich dir damit helfen.

      Viele Grüße und viel Erfolg
      Till

      • Hallo Till,
        vielen Dank für die ausführliche Antwort und die Verweise. Da sind viele Impulse dabei, die mich bestimmt weiterbringen – vielleicht auch mal analog oder digital nach Köln!
        Liebe Grüße
        Mario


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