Ganz gleich, wo ich Gespräche über die (Wieder-) Aufnahme von Sport oder Fitness belausche, sehr oft höre ich heraus, dass für viele zunächst Joggen oder Laufen als erstes durchgeführt wird.
Wer (wieder) fit sein will, der geht halt erstmal laufen. Das liegt daran, dass zu Zeiten des „Eisernen Vorhangs“ in der westlichen Welt der Fitnessbegriff mit einer großen maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit verbunden war. Deshalb wurde bei uns das Laufen so propagiert.
In den ehemaligen „Ostblockstaaten“ dagegen wurde intensiv an den Wirkungsmechanismen des Bewegungsapparates geforscht. Dort hatte der Begriff der körperlichen Fitness eher eine kraftorientierte Bedeutung.
Laufen ist die natürlichste Bewegungsform und unser Körper ist zum Laufen geschaffen.
Unsere steinzeitlichen Vorfahren sind an etwa 5 Tagen in der Woche jeweils 20-50 km in unterschiedlichen Geschwindigkeiten gelaufen. Die Frauen sind an etwa jedem zweiten Tag jeweils 10-15 km gelaufen.
A B E R: Heutzutage kann man nur noch trainierten Menschen das Laufen empfehlen.
Ein kritischer Blick auf die vielen Freizeitläuferinnen und -läufer in den Stadtparks und Wäldern lässt weitere Argumente häufig überflüssig werden, denn die Bewegungsabläufe und Körperhaltungen, die sich dabei nicht selten zeigen, sehen schon von außen ungesund aus.
Wenn Sie Ihren Körper nicht im Griff haben, sich kaum bewegen können, keine Stabilität aufweisen (sei es statisch oder in der Bewegung), Fehlstellungen haben, unbeweglich und kraftlos sind, dann gehört Laufen in der Regel zu den letzten Dingen, die Ihre Situation verbessern werden.
Obwohl der Mensch ein „Lauftier“ ist, konnte die Evolution nicht erahnen, dass wir zu „Sitztieren“ mutieren und Laufen uns daher nun schaden kann. Hinzu kommt, dass es aufgrund der uns fehlenden Zeit einfach eine ineffiziente Methode geworden ist, um schlanker und gesünder zu werden (mit Ausnahme von Sprintintervallen).
Ein durchschnittlicher Verwaltungsangestellter in Manhatten geht maximal 400 m am Tag. Er geht und läuft nicht wie unsere Vorfahren. Was würde also mit dieser untrainierten Person passieren, wenn sie nun plötzlich damit anfängt zu laufen und pro Schritt das Vielfache des eigenen Körpergewichts auf die Gelenke krachen lässt…?
Läufer bewegen sich nur in einer Bewegungsebene (sagittal, geradeaus) und das dafür erforderliche Bewegungsausmaß der Gelenke ist minimal, es sei denn, dass man Sprints macht.
Laufen erfordert kaum Muskelkraft (außer Sprints und Bergläufe), so dass sich die Muskulatur zurückbildet und schwächer wird. Also alles Auswirkungen, die einem überwiegend sitzenden Menschen nicht empfohlen werden können.
Für den modernen Menschen gilt die Regel: Sie sollten nicht laufen, um fit zu werden, sondern zunächst fit werden, um überhaupt laufen zu können.
Siehe hierzu auch meinen Artikel „Die dunkle Seite des Laufens„.
Wenn Sie Körperfett verlieren und Ihre Ausdauer verbessern möchten, ohne Ihre Gelenke und deren Strukturen durch tausende von wiederkehrenden Wiederholungen zu belasten, dann kann ich folgende Empfehlungen geben, je nachdem, wie schnell es gehen soll und wie viel Zeit Sie dafür investieren wollen:
3 Tage/Woche: „metabolisches Kraftraining“ und „metabolisches Ausdauertraining“ in jeder Einheit
4 Tage/Woche: 2 x „metabolisches Kraftraining“ und 2 x „metabolisches Ausdauertraining“
5 Tage/Woche: 3 x „metabolisches Kraftraining“ und 2 x „metabolisches Ausdauertraining“
Mit „metabolischem Krafttraining“ meine ich, dass 2-3 Kraftübungen im direkten Wechsel oder sehr kurzen Pausen mit ca. 6 bis maximal 12 Wiederholungen durchgeführt werden, wobei am Ende jedes Durchgangs nur noch eine technisch saubere Wiederholung möglich sein sollte (z. B. abwechselnd eine Übung für den Ober- u. eine für den Unterkörper).
Alternativ wäre ein Zirkeltraining mit Kraftübungen möglich, wobei der Schwierigkeitsgrad der Übung bzw. der Widerstand ebenfalls nur die oben genannten Wiederholungszahlen zulassen sollte.
Beispiele für ein „metabolisches Ausdauertraining“ finden sich hier. Sprints zähle ich auch dazu.
Prinzipiell kann man beim Ausdauertraining auch sämtliche Übungen wie beim Krafttraining einsetzten, nur mit geringerem Schwierigkeitsgrad bzw. leichteren Gewichten und höheren Wiederholungszahlen.
Seit ich meinen Klienten kein Lauftraining mehr in den Plan schreibe (außer Sprints für Fortgeschrittene), haben diese bessere Fitnessergebnisse, bezogen auf die Figur, die Kraft, die Ausdauer, die Schnelligkeit und die Beweglichkeit. Auch die körperlichen Beschwerden sind deutlich zurückgegangen. Ein weiterer Vorteil ist die verkürzte Trainingszeit.
Grundsätzlich sollten Sie sich zusätzlich zum beschriebenen Training so viel wie möglich bewegen. Das können Spaziergänge, Radfahrten oder auch Läufe sein, wenn sie fit genug dafür sind. Ferner zählen andere Sportarten oder das Herumtollen mit Kindern dazu – bewegen Sie sich einfach vielfältig und mit Freude.
Meine Antwort auf die Überschrift lautet ganz klar: jein.
Wenn Sie untrainiert sind, dann werden Sie erstmal beweglicher, stabiler und kräftiger. Gleichen Sie Asymmetrien und Dysbalancen im Körper aus und laufen Sie noch nicht. Und wenn, dann höchstens nur kurz.
Wenn Sie entsprechend kräftig, stabil, schlank und allgemein fit genug sind, um laufen zu können, dann dürfen Sie gerne laufen. Arbeiten Sie an Ihrer Lauftechnik (z. B. durch Übungen aus dem leichtathletischen Lauf-ABC). Laufen Sie nicht „stur“ vor sich hin, sondern machen Sie aus dem Lauf ein Erlebnis, wie es unsere steinzeitlichen Vorfahren notgedrungen gemacht haben.
Dazu gehören viele Tempo- und Richtungswechsel sowie Crossläufe über Stock und Stein abseits von Wegen (Sie sollen jetzt aber auch nicht die Natur zerstören).
Und machen Sie sich langsam mit dem Laufen auf immer flacheren und flexibleren Sohlen vertraut bis hin zu Schuhen, die dem Barfußlaufen nahe kommen und schließlich zum Barfußlaufen selbst. Dieser Prozess kann Wochen bis Monate dauern. Ihr Körper wird es Ihnen danken.
Bis dahin ist es jedoch ein langer Weg und für die meisten gibt es vor allem zu Beginn bessere Alternativen als das Laufen (siehe oben).
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